Oh, schon wieder ein Jahr vorüber! Es gab einiges zu lesen. Also gibt es hier meine Lesetipps. Los gehts!
Beginnen möchte ich mit einem Roman, der aufgrund des Themas aktueller nicht sein könnte – »Troll«* von Michal Hvorecky. Ich zitiere mal den Klappentext.
»Osteuropa in naher Zukunft. Ein Heer aus Trollen beherrscht das Internet, kommentiert und hetzt. Zwei Freunde entwickeln immer stärkere Zweifel und beschließen, das System von innen heraus zu stören. Dabei geraten sie selbst in die Unkontrollierbarkeit der Netzwelt – und an die Grenzen ihres gegenseitigen Vertrauens.«
Es gibt auf dem europäischen Kontinent nur noch die Festung Europa (ehemals Europäische Union) und ein diktatorisch geführtes osteuropäisches Reich. Regiert wird dort mit Angst und Gewalt. Wer konnte, ist schon längst geflüchtet. Gelenkt wird die Meinung mittels Heerscharen von Internettrollen. Bezahlte Kampagnen, virale Hetzjagden, hunderte Fake-Profile. Was ist Wahrheit? Was ist Lüge? Existenzen werden durch Lügen, Desinformation und dem darauf folgenden Shitstorms bedroht, wenn nicht sogar ausgelöscht. Es herrscht ein Informationskrieg.
Die zwei Hauptfiguren, beide eigentlich mit eigenen Problemen belastet, wollen dem ein Ende setzen, müssen sich aber erst einmal dem ganzen System beugen und geraten selbst in den Strudel des Trollens.
Michal Hvorecky, ein slowakischer Schriftsteller und Journalist, hat diesen dystopischen Roman geschrieben. Auf 216 Seiten vereinen sich Wut, Ängste und Albträume zu einer Aufklärung über den Zustand einer zutiefst gespaltenen und unsicheren zukünftigen Gesellschaft. Leider fühlt sich das schon zu sehr nach Gegenwart an!
Aus meiner Sicht ein sehr wichtiger Roman, der unbedingt gelesen werden sollte. Zum gleichen Thema kann man noch »Der Circle«, meinen Tipp von 2016, lesen.
Tipp Nr. 2 ist »Underground Railroad«* von Colson Whitehead. Der Roman wurde mit den wichtigsten US-amerikanischen Preisen ausgezeichnet.
Erzählt wird die Geschichte der Sklavin Cora. Sie schuftet auf einer Baumwollplantage in Georgia, dort wo das Leben der unzähligen schwarzen Sklaven nur für die schwere Arbeit zählt, wo die Tiere besser behandelt werden als sie. Jeder träumt von der Flucht. Und tatsächlich gibt es ein geheimes Fluchtnetzwerk für die Sklaven – die Underground Railroad. Cora schafft es dorthin und es beginnt eine spannende aber auch bedrückende Reise. Jeder Staat, den sie erreicht, hat seine eigenen Gesetze. Überall lauern Gefahren von Kopfgeldjägern, Rassisten oder obskuren Ärzten. Aber es gibt auch Menschen, die der Sklaverei ein Ende bereiten wollen und Cora aufrichtig helfen.
Gleich vorweg, die Underground Railroad gab es wirklich, nur dass sie damals im 19. Jahrhundert als Metapher verwendet wurde. Colson Whitehead macht daraus aber eine richtige Untergrund-Eisenbahn. Und er zeichnet ein Bild von der Sklaverei, wie es bitterer nicht sein könnte. Es gibt US-Staaten, die die volle Härte im Umgang mit Sklaven billigen, in andere denken die Bewohner, die Sklaverei sie abgeschafft, behandeln aber die Schwarzen als Versuchsobjekte oder wie Tiere im Zoo als Ausstellungsobjekte. In anderen Staaten ist die Sklaverei offiziell abgeschafft, aber nicht in den Köpfen.
Und wieder ist es ein Buch, welches Parallelen zur Gegenwart aufzeigt. Menschen, die sich über andere erheben, Rassismus und Brutalität, aber auch Altruismus und der ständige Kampf für Freiheit, Gleichberechtigung und eine lebenswertere Welt. Der Roman ist also auch wieder ein unbedingter Lesetipp!
Die Tipps Nr. 3, 4 und 5 führen nach Skandinavien – nach Norwegen, Schweden und Dänemark.
Nr. 3 ist »Der Lärm der Fische beim Fliegen«* von Lars Lenth, kommt aus Norwegen und ist ein sogenannter Öko-Thriller.
Im rauen nördlichen Norwegen wurden mehrere Anschläge auf eine Lachszuchtfarm verübt. Der Betreiber und erfolgreiche Unternehmer Axel Platou bittet seinen Freund aus Kindertagen Leo Vangen, einen geschmeidigen Langzeitstudenten aus Oslo, die Anschläge aufzuklären. Doch auch die Brüder Vega, skrupellose, brutale Kriminelle und eng mit der Lachsfarm verbunden, kümmern sich schon um die mutmaßlich Schuldigen. Leo Vangen gerät natürlich zwischen die Fronten.
Ein sehr unterhaltsamer Krimi. Spannende, skurrile Figuren, unappetitliche Details über die norwegische Lachsindustrie und ein überraschendes Ende. Leicht zu lesende Spannung aus dem hohen Norden. Vielleicht der Lesetipp für den nächsten Urlaub.
Tipp Nr. 4 ist der Krimibestseller aus Schweden – »1793«* von Niklas Natt och Dag.
Stockholm im Winter 1793. Im Fatburen, einer ekelhaften Kloake auf Södermalm, treibt ein verstümmeltes Bündel. Es sind die Überreste eines fast bis zur Unkenntlichkeit entstellten Menschen. Der Stadtknecht Jean Michael Cardell, ein traumatisierter Ex-Soldat mit Holzarm, zieht das Bündel an Land. Der Jurist Cecil Winge, bei der Stockholmer Polizei für die »besondere Verbrechen« zuständig, übernimmt trotz seiner lebensgefährlichen Erkrankung den Fall und bittet Cardell um Mithilfe. Schon bald finden beide heraus, dass das Opfer mit chirurgischer Präzision gefoltert wurde. Und es warten noch sehr viele Abgründen auf sie.
Grausames, düsteres Stockholm im Jahre 1793. Das Buch wurde mit dem schwedischen Krimipreis ausgezeichnet. Für mich war es nicht so spannend wie ein Krimi, dafür wartet es aber mit einigen Überraschungen auf. Für mich ist das Buch daher eher ein historischer Roman. Aber dennoch ein Lesetipp. Und Anfang 2020 kommt schon der Nachfolger in den Handel. Wie wird der nur heißen?
Tipp Nr. 5 ist »Verachtung«* von Jussi Adler-Olsen. Es ist der vierte Fall für Carl Mørck vom Sonderdezernat Q. Die Fälle 1 und 2 habe ich hier in den letzten Jahren schon vorgestellt. Band 3 »Erlösung«* habe ich zwar auch gelesen, aber noch nicht besprochen.
In Band 4 geht es um Demütigung, Rache und Besessenheit. Der Fall geht ins Jahr 1987 zurück. Seitdem wird eine Reihe von Menschen vermisst. Die Spuren reichen allerdings weiter bis in die 50er Jahre.
Die Gemeinsamkeit hat einen Namen: Nete Hermansen. Schon als Kind wurde sie ihrer Zukunft beraubt und kommt als junge Frau in eine Anstalt für sozialhygienisch aussortierte Frauen (die es wirklich gab) auf der Insel Sprogø im Großen Belt. Dort wird sie von einem fanatischen Arzt missbraucht und schließlich zwangssterilisiert, damit sie ihre unwerten Gene nicht weitergeben kann.
1985 trifft Nete diesen Arzt wieder, der mittlerweile eine rechtsradikale Partei, die sich vehement gegen die »Überfremdung« des Königreichs Dänemark einsetzt, gegründet hat und mit dieser ins Parlament einziehen will. Der Fall für Carl Mørck nimmt seinen Lauf.
Wie immer ist dieser Adler-Olsen-Krimi spannend, sehr leicht zu lesen und für alle, die ihn noch nicht kennen, einfach zu empfehlen. Das gilt im Übrigen auch für Band 3 »Erlösung«.
Kommen wir zum Lesetipp Nr. 6. Vielen bekannt als Schulliteratur und gerade 2019 könnte man vielleicht mal dazu greifen. Im Jahr von »Bauhaus 100« oder »30 Jahre Mauerfall« ist nämlich auch Fontane-Jahr. Und daher ist mein Tipp »Effi Briest« von Theodor Fontane.
Die Geschichte ist bekannt. Die 17-jährige Effi Biest wird mit dem viel älteren Baron von Innstetten verheiratet. Effi betrügt ihren Ehemann mit Major Crampas und wird gesellschaftlich geächtet. Innstetten verteidigt seine Ehre in einem Duell. Was folgt, ist Scheidung und Verbannung, Armut, Krankheit und Einsamkeit.
Wie wäre es mal ohne schulischen Druck einen Klassiker zu lesen? Nichts spricht dagegen, also machen!
Für das nächste Jahr habe ich mir wieder ein paar Buchtipps vorgenommen. Seid gespannt!
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Bildquelle: Meine benutzten Bücher.